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Zahlen Mediennutzer künftig Zeche des neuen EU-Datenschutzes?

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Die Novellierung der europäischen Datenschutz-Richtlinie geht nun in die entscheidende Beratungsphase des Europäischen Parlaments. Bis Ende April kann das Parlament Änderungen diskutieren und verabschieden. Im Mai beginnen dann die Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament in Brüssel.

Nach 18 Jahren soll die Europäische Union nun einen neuen, einen einheitlichen Datenschutz bekommen. Dafür legte die EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, Viviane Reding bereits Anfang des vergangenen Jahres einen Entwurf für die neue Verordnung vor, der das EU-Datenschutzrecht endlich auch an das Internetzeitalter anpassen soll. Schließlich basieren die derzeitigen Regeln noch auf einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 1995, als vom Internet noch kaum der Rede war.

Bekanntlich praktiziert seither jedes EU-Mitglied seinen eigenen Datenschutz, was letztlich durchaus zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Es ist sicherlich kein Zufall, dass Facebook Europe in Irland residiert, hat der Inselstaat doch bekanntermaßen den lässigsten Datenschutz aller EU-Länder. Mit dem Argument, solche Wettbewerbsvor- oder -nachteil mit einem stärkeren oder schwächeren Datenschutz zu unterbinden, hatte sich die EU-Kommissarin Reding in der Wirtschaft tatsächlich erst einmal Freunde gemacht.

Schnell aber haben vorrangig betroffene Gruppen in Dienstleistung und Industrie erkannt, was für eine Walze da auf sie zurollen wird. Angstszenarien wie Werbe-Aus, Cookie-Verbot und Facebook-Ende machten schnell die Runde. In Deutschland mobilisierten Initiativen wie die Berliner Datenschutzrunde und der VDZ Verlage und werbeaktive Unternehmen. Der zentrale Kritikpunkt: Die Verordnung differenziert nicht zwischen Geschäftsmodellen und der Art, wie Daten verarbeitet werden. Gespräche und Diskussionen auf allen Ebenen führten nicht dazu, dass der Grünen-Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht am 10. Januar  als Berichterstatter zur Datenschutz-Grundverordnung im Europäischen Parlament die Kernkritik berücksichtigende Änderungsvorschläge zum Verordnungsentwurf vorlegte. Während Datenschutzaufsichtsbehörden und Verbraucherschützer seinen Berichtsentwurf grundsätzlich begrüßen, vermissen Wirtschaftsvertreter die Berücksichtigung der Anforderungen der modernen Unternehmenspraxis.

Albrecht geht sogar noch einen Schritt weiter: Er will durchsetzen, dass jeder Bürger der Weitergabe seiner Daten an jeder Stelle aktiv zustimmen muss. Dadurch würden die meisten Formen des Onlinemarketings nur noch mit aktiver Einwilligung der Nutzer möglich. Die Konsequenzen wären schwerwiegend. All die Aktivitäten, die das Marketing der Online-Dienste bislang so attraktiv machen, entfielen: Auswertungen zum Kundennutzungsverhalten, das Anlegen von Profilen zu potenziellen und tatsächlichen Kunden, Targeting und Retargeting, Adressvalidierungen u.a.

Und weil Onlinedienste dann kein Geld mehr mit Werbung verdienen könnten, müssten sie den Nutzer zur Kasse bitten. Das prognostiziert der Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.  „Nach der geplanten Datenschutzverordnung werden viele bislang kostenlose Online-Dienste in Europa nicht mehr möglich sein.“ Der Grundsatz „Keine Datenverarbeitung ohne Einwilligung“ klinge zwar sinnvoll, sei in der Praxis aber kaum umzusetzen und schränke die Benutzerfreundlichkeit massiv ein. Das gelte zum Beispiel für die Einblendung von Werbung auf Webseiten oder Bonitätsprüfungen bei Bestellvorgängen im Internet.

Bitkom identifiziert noch weitere Schwachpunkte und Risiken in der geplanten EU-Datenschutzverordnung. So droht der Anwendungsbereich der Datenschutzverordnung auszuufern und Sachverhalte des täglichen Lebens und Wirtschaftslebens zu erfassen, die keinen Zusammenhang mehr mit dem eigentlichen Schutzzweck der Verordnung aufweisen. Um die zahlreichen Einwilligungen für die Datenverarbeitung bei Online-Angeboten korrekt einzuholen, müssten aller Voraussicht nach sogar noch mehr Daten erhoben werden als zuvor. Bislang funktioniert die Datenverarbeitung vielfach auf Grundlage einer gesetzlichen Erlaubnis unter Einsatz von Pseudonymen, zum Beispiel einer dynamischen IP-Adresse.

Auch die Rahmenbedingungen für Start-ups und die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle werden sich massiv aufgrund erheblicher Unsicherheiten über die künftige Zulässigkeit der Datenverarbeitung verschlechtern. Während sich also nach Wunsch der EU-Kommissarin Reding die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb Europas egalisiert, wird sie mit Blick auf den internationalen Markt sogar erheblich beeinträchtigt.



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